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Transaktionen

0048 - Altin AG

Empfehlung Altin AG vom 8. September 1999

Aktienrückkaufsprogramm der Altin AG

A.
Die Altin AG (Altin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baar. Ihr ausgewiesenes Kapital beträgt CHF 275'865'250.-- und ist in 5'517'305 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 50.--eingeteilt, die an der Schweizer Börse kotiert sind.

B.
Mit Empfehlung vom 12. April 1999 hat die Übernahmekommission ein erstes Rückkaufsprogramm der Altin, das sich auf maximal zehn Prozent des Kapitals und der Stimmen bezog, von der Anwendung der Regeln über die öffentlichen Kaufangebote bis zum 30. April 2000 freigestellt. Die Altin startete dieses Programm am 19. April 1999. Bis zum 2. September 1999 hatte sie 524‘408 eigene Aktien zurückgekauft. Dies entspricht 9,5 Prozent ihres Aktienkapitals.

C.
Mit Schreiben vom 4. August 1999 teilte die Altin der Übernahmekommission mit, dass sie maximal weitere zehn Prozent ihres Aktienkapitals – d.h. 551'730 Aktien – zum Zwecke der nachfolgenden Kapitalherabsetzung zurückkaufen wolle. Die Herabsetzung solle bei der nächsten Generalversammlung der Altin in der Höhe des erzielten Rückkaufsvolumens erfolgen. Das geplante Rückkaufsprogramm soll über eine zweite Handelslinie abgewickelt werden, die bis zur ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft im Jahr 2000 offen bleiben soll.

D.
Die Altin beantragt der Übernahmekommission die Freistellung des Rückkaufsprogramms von den Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote.

E.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss, bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Herrn Ulrich Oppikofer und Frau Maja Bauer-Balmelli, gebildet. Die Parteien haben sich schriftlich über die Gründe der gewünschten Freistellung geäussert. Ausserdem hatten sie die Gelegenheit, ihre Argumente am 27. August 1999 an einer Sitzung dem Ausschuss zu präsentieren.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Die Voraussetzungen für die Freistellung eines Rückkaufsprogramms von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote sind in der Mitteilung Nr. 1 der Übernahmekommission vom 22. Juni 1999 aufgeführt.

2. Zunächst darf die Liquidität des Marktes für die erfassten Titel durch das Rückkaufsprogramm nicht wesentlich verringert werden (Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 2.1 der Mitteilung Nr. 1). Ferner darf sich die Zusammensetzung des Aktionariats der Gesellschaft, insbesondere die Stellung der Hauptaktionäre, durch die Rückkäufe nicht wesentlich verändern (Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 2.2 der Mitteilung Nr. 1).

Die Altin hat der Übernahmekommission mitgeteilt, dass ihres Wissens kein Aktionär und auch keine Aktionärsgruppe ausser der Altin selbst über eine Beteiligung von mehr als fünf Prozent verfügte. Folglich werden die Durchführung des Aktienrückkaufs und die anschliessende Kapitalherabsetzung die Zusammensetzung des Aktionariats der Gesellschaft nicht erheblich verändern. Zudem wird die Durchführung des geplanten Rückkaufs von 551'730 Aktien die Marktliquidität nicht erheblich reduzieren, weil sich der free float auf 4‘992‘897 Aktien beläuft. Beide Voraussetzungen sind hiermit erfüllt.

3. Gemäss Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 2.3 der Mitteilung Nr. 1 darf ein Rückkaufsprogramm sich auf maximal 10% des Aktienkapitals und der Stimmen der Gesellschaft beziehen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um das zweite Aktienrückkaufsprogramm, das die Altin innerhalb der letzten sechs Monate unterbreiten möchte. Das erste, im April 1999 lancierte Programm bezog sich bereits auf zehn Prozent des Kapitals und der Stimmen der Altin. Eine derartige Aufspaltung eines Rückkaufsprogramms wäre als unzulässige Umgehung einzustufen, wenn die Altin bereits im April 1999 im Sinne gehabt hätte, unmittelbar nach Beendigung des ersten ein weiteres Rückkaufsprogramm zu starten. Der Ausschuss hat sich durch die Altin überzeugen lassen, dass im vorliegenden Fall kein unzulässiges Vorgehen dieser Art vorliegt. Er betrachtet deshalb Ziff. 2.3 der Mitteilung Nr. 1 als erfüllt. Gleichwohl kann kein weiteres, drittes Rückkaufsprogramm von der Anwendung der Regeln über die öffentlichen Kaufangebote freigestellt werden, solange die im Rahmen des gegenwärtig vorgesehenen, zweiten Programms erworbenen Titel nicht annulliert sind.

4. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Rückkaufsprogramms darf der Stichtag des letzten veröffentlichten konsolidierten (Zwischen-) Abschlusses nicht mehr als neun Monate zurückliegen (Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 2.4 der Mitteilung Nr. 1).

Stichtag des letzten konsolidierten Abschlusses der Altin ist der 31. Dezember 1998. Er liegt weniger als neun Monate vor Veröffentlichung des Programms zurück und erfüllt somit Ziff. 2.4 der Mitteilung Nr. 1.

5. Ferner hat die Gesellschaft in ihrem Angebot zu bestätigen, dass sie über keine nicht-öffentlichen Informationen verfüget, welche die Entscheidung der Aktionäre massgeblich beeinflussen könnten (Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 2.5 der Mitteilung Nr. 1).

Dies bedeutet einerseits, dass die Gesellschaft zu Beginn des Rückkaufsprogramms über keine vertraulichen Informationen kursrelevanter Natur verfügen darf. Bei Rückkaufsprogrammen, die zum Marktpreis an der Börse durchgeführt werden, hat andrerseits die Gesellschaft die erforderlichen Massnahmen zu treffen (z.B. durch Unterbrechung der Rückkäufe), damit sie während der Laufzeit des Rückkaufsprogramms nicht in der Lage ist, einen jeweiligen Informationsvorsprung gegenüber dem Anleger auszunutzen.

Der Verwaltungsrat der Altin hat bestätigt, über keine nicht publizierten Informationen zu verfügen, welche die Entscheidung der Aktionäre massgeblich beeinflussen könnten. Ausserdem hat sich die Altin verpflichtet, die Rückkäufe zu unterbrechen, falls sie nach Beginn des Rückkaufsprogramms Kenntnis von kursrelevanten nicht-öffentlichen Tatsachen, die in ihrem Tätigkeitsbereich eingetreten sind, erhälterhalte. Damit sind die Voraussetzungen für die Einhaltung dieser Bedingung erfüllt.

6. Die Gesellschaft muss im Angebot offenlegen, wie die zurückgekauften Aktien verwendet werden sollen (Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 2.6 der Mitteilung).

Die Altin hat offengelegt, dass sie das Aktienkapital im Umfang der zurückgekauften Titel herabzusetzen beabsichtigt. Damit ist die in Ziff. 2.6 der Mitteilung aufgestellte Bedingung erfüllt.

7. Das Steuerrecht behandelt die im Hinblick auf eine Kapitalherabsetzung durchgeführten Rückkäufe eigener Beteiligungspapiere als Teilliquidation. Dies beeinflusst die Besteuerungsart des eingenommenen Rückkaufspreises für die Verkäufer der Aktien. Während Kapitalgewinne privater Anleger grundsätzlich steuerfrei sind, ist bei Vorliegen einer Teilliquidation der Teil des Rückkaufspreises, der den Nennwert der Aktien übersteigt, steuerbares Einkommen («Nennwertprinzip»). Diese steuerrechtliche Besonderheit macht Akienrückkäufe für private Anleger grundsätzlich unattraktiv. Anleger dagegen, welche Beteiligungspapiere in ihrem Geschäftsvermögen halten («institutionelle Anleger»), sind davon nicht betroffen, weil sie immer nur auf der Differenz zwischen Buchwert und Veräusserungserlös besteuert werden («Buchwertprinzip»). So können de facto einzig die institutionellen Anleger ihre Titel steuergünstig auf der zweiten Handelslinie zum Verkauf anbieten. Damit das Gleichbehandlungsgebot gewährleistet ist, darf sich der auf der zweiten Linie bezahlte Preis nicht übermässig vom auf der ersten Linie angebotenen Preis unterscheiden. Die Übernahmekommission hat in der Vergangenheit festgestellt, dass diese Preisdifferenz ein durchaus bedeutendes Ausmass annehmen kann, bei dem die Gleichbehandlung nicht mehr gewährleistet ist.

Diese Erfahrungen berücksichtigend, wird die Freistellung des Rückkaufsprogramms der Altin an die Bedingung geknüpft, dass die auf der zweiten Handelslinie für Altin-Aktien gestellten Geldkurse maximal zwei Prozent höher notieren als die zur gleichen Zeit auf der ersten Linie gestellten Geldkurse. Der Ausschuss ist sich dabei bewusst, dass ein Anbieter dem Sinn dieser Einschränkung entgegenwirken könnte, indem er eine Kauforder für einige wenige Beteiligungspapiere zu einem übersetzten Preis auf der ersten Handelslinie eingibt und gleichzeitig auf der zweiten Handelslinie eine bedeutende Transaktion tätigt. Die institutionellen Anleger könnten so auf unberechtigte Weise begünstigt werden, ohne dass die Limite von zwei Prozent tatsächlich überschritten wird. Der Ausschuss würde die Freistellung des Rückkaufsprogramms widerrufen, falls derartige Transaktionen festgestellt würden.

8. Werden die Rückkäufe an der Börse und nicht mittels eines Festpreisangebots durchgeführt, garantiert im Prinzip die Tatsache, dass die Rückkäufe zum „Marktpreis" erfolgen, die Gleichbehandlung der Aktionäre. In einem illiquiden Markt allerdings könnte der Marktpreis durch Transaktionen des Anbieters selbst erheblich beeinflusst werden.

Um sicherzugehen, dass das Vorgehen bei der Preisbestimmung transparent ist und der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten wird, hat sich die Altin verpflichtet, täglich die Anzahl der von ihr getätigten Käufe und Verkäufe zu veröffentlichen. Dieselbe Verpflichtung obliegt auch der Banque Syz & Co. SA (Bank Syz), deren Sitz in Genf ist und die sowohl bei der Gründung als auch bei der Kotierung der Altin mitgewirkt hat. Die Bank Syz ist zudem als inoffizieller Market maker der Altin tätig und im Verwaltungsrat der Gesellschaft vertreten. Unter diesen Umständen muss angenommen werden, dass die Bank Syz mit der Altin in gemeinsamer Absprache handelt, weshalb sie im Rahmen dieses Rückkaufsprogramms den gleichen Verpflichtungen wie die Altin nachkommen muss. Die Bank Syz und die Altin werden somit täglich die Anzahl der von ihnen getätigten Käufe und Verkäufe von Altin-Aktien auf Reuters (SYZCO) veröffentlichen.

9. Im Übrigen hat die Übernahmekommission keinen Anlass anzunehmen, dass Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben im vorliegenden Fall nicht gewährleistet sind. Ferner liegen auch keine Hinweise auf eine Umgehung des Börsengesetzes oder anderer Gesetzesbestimmungen vor. Folglich kann das beabsichtigte Rückkaufsprogramm von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freigestellt werden.

10. In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und 62 Abs. 6 UEV-UEK wird eine Gebühr für die Prüfung eines Rückkaufsangebotes erhoben.

Angesichts der Anzahl der notwendigen Rücksprachen und Korrespondenzen mit der Gesuchstellerin und der mit den Parteien durchgeführten Sitzung wird die Gebühr auf CHF 15‘000.-- festgelegt.

  1. Das Rückkaufsprogramm der Altin AG wird von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freigestellt. Diese Freistellung wird unter der Bedingung gewährt, dass:
    • die auf der zweiten Handelslinie für Altin-Aktien gestellten Geldkurse maximal zwei Prozent höher notieren als die zur gleichen Zeit auf der ersten Linie gestellten Geldkurse;
    • die Altin AG und die Banque Syz & Co. SA, Genf, täglich die Anzahl der von ihnen getätigten Käufe und Verkäufe veröffentlichen.
  2. Die Gebühr beträgt CHF 15‘000.--.




Der Präsident des Ausschusses:

Hans Caspar von der Crone

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • Altin AG durch ihre Vertreter,
  • Banque Syz & Co. SA.