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0161 - InCentive Capital AG

Empfehlung Centerpulse AG / InCentive Capital AG vom 15. August 2003

Öffentliche Kauf- und Umtauschangebote der Zimmer Holdings, Inc., Warsaw (USA), an die Namenaktionäre der Centerpulse AG, Zürich, und die Inhaberaktionäre der InCentive Capital AG, Zug - Akteneinsichtsrecht, Verwaltungsratsberichte der Zielgesellschaften

A.
Die Centerpulse AG („Centerpulse" oder „Zielgesellschaft 1") ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 355'984'200. Es ist eingeteilt in 11'866'140 Namenaktien zu je CHF 30 Nennwert. Die Aktien der Centerpulse sind an der SWX Swiss Exchange („SWX") und, in der Form von American Depositary Receipts („ADRs" bzw. „ADSs" für American Depositary Shares), an der New York Stock Exchange kotiert.

B.
Grösste Einzelaktionärin der Centerpulse ist die InCentive Capital AG („InCentive" oder „Zielgesellschaft 2") mit Sitz in Zug, die eine Beteiligung von rund 19% des Kapitals und der Stimmrechte an Centerpulse hält. Das Aktienkapital der InCentive beträgt CHF 42'944'040 und ist eingeteilt in 2'147'202 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 20. Die Aktien sind an der SWX kotiert. Hauptaktionäre der InCentive sind die Zürich Versicherungs-Gesellschaft mit einer Beteiligung von 24.96% am Kapital und der Stimmen an der Gesellschaft, die III Institutional Investors International Corp. (20.78%), Herr René Braginsky (20%) und die „Familie Hans Kaiser" (bestehend aus Herrn Hans Kaiser sowie Frau Franca Schmidlin-Kaiser und Frau Marianne Kaiser), die 11.2% an InCentive hält.

C.
Die Smith & Nephew plc. („Smith & Nephew" oder „Erstanbieterin") ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in London (Grossbritannien). Per 1. Januar 2003 betrug ihr genehmigtes Aktienkapital GBP 150'000'000 und ihr ausgegebenes Kapital GBP 113'614'997.49, eingeteilt in 929'577'252 „ordinary shares" mit einem Nennwert von je 12 2/9 pence und 268'500 „preference shares" mit einem Nennwert von je GBP 1. Die Aktien von Smith & Nephew sind an der London Stock Exchange und ebenfalls, in der Form von ADRs, an der New York Stock Exchange kotiert.

D.
Die Zimmer Holdings, Inc. („Zimmer" oder „konkurrierende Anbieterin") ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Warsaw, Indiana (USA). Ihr genehmigtes Kapital besteht aus (a) 1'000'000'000 Stammaktien (common stock) mit einem Nennwert von je USD 0.01 und (b) 250'000'000 Vorzugsaktien (preferred shares) mit einem Nennwert von je USD 0.01 (davon 2'000'000 Serie A (Series A Participating Cumulative Preferred Stock), der Rest der Vorzugsaktien wurde noch nicht bestimmt). Per 19. Mai 2003 waren keine Vorzugsaktien, aber 196'624'148 Stammaktien ausgegeben. Die Aktien sind an der New York Stock Exchange kotiert.

E.
Am 25. April 2003 veröffentlichte Smith & Nephew in der Tagespresse und den elektronischen Medien das öffentliche Kauf- und Umtauschangebot an die Aktionäre von Centerpulse. Es war vorgesehen, dass das Angebot bis am 24. Juni 2003 dauern soll.

F.
Ebenfalls am 25. April 2003 veröffentlichte Smith & Nephew in der Tagespresse und den elektronischen Medien das öffentliche Übernahmeangebot an die Aktionäre von InCentive.

G.
Smith & Nephew veröffentlichte zudem am 25. April 2003 in den USA für die dort residierenden Inhaber von Centerpulse-ADRs (sog. US-Holders) ein den amerikanischen Bestimmungen entsprechendes Übernahmeangebot.

H.
Am 20. Mai 2003 (Voranmeldung) bzw. am 19. Juni 2003 (Angebotsprospekt) erfolgte die landesweite Publikation der öffentlichen Kauf- und Umtauschangebote von Zimmer auf Centerpulse und InCentive. Gemäss den Veröffentlichungen sollten die Angebote von Zimmer bis am 25. August 2003 dauern. Ebenso wurden die Angebote den US-amerikanischen Vorschriften entsprechend in den USA veröffentlicht.

I.
In der Folge erliess die Übernahmekommission sowohl Empfehlungen zu den einzelnen Angeboten als auch zum jeweiligen Zeitplan. Mit Empfehlung zum Zeitplan I der Angebote vom 11. Juni 2003 und der Empfehlung zum Zeitplan II vom 4. Juli 2003 erwog bzw. bestätigte die Übernahmekommission unter anderem, dass der 18. August 2003 der letztmögliche Termin für die Änderung (Erhöhung) der Offerte von Smith & Nephew sei. Die Empfehlung zum Zeitplan II vom 4. Juli 2003 wurde sowohl von Smith & Nephew als auch von Centerpulse bei der EBK angefochten. Das Verfahren ist dort noch bezüglich einzelner Punkte hängig.

J.
Am 9. Juli 2003 veröffentlichten die Verwaltungsräte von Centerpulse und InCentive ihre Berichte zu den Angeboten von Zimmer im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BEHG.

K.
Am 15. Juli 2003 erliess die Übernahmekommission je eine Empfehlung zum Verwaltunsgsratsbericht von Centerpulse und zu demjenigen von InCentive.

L.
Am 24. Juli 2003 ersuchte der Rechtsvertreter von Centerpulse die Übernahmekommission um eine Unterredung, deren Ziel es in erster Linie war, darlegen zu können, dass ein lange dauerndes Übernahmeverfahren für die Zielgesellschaft 1 mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden sei. Am 25. Juli 2003 fand eine Sitzung zwischen dem Präsidenten und dem Sekretariat der Übernahmekommission einerseits sowie Dr. Max Link (CEO von Centerpulse), Urs Kamber (CFO von Centerpulse) und dem Rechtsvertreter von Centerpulse statt. Anlässlich dieser Sitzung wurden die Vertreter von Centerpulse aufgefordert, ihre Anliegen und Begehren der Übernahmekommission mittels formellen Anträgen, zu denen die übrigen am Verfahren Beteiligten Stellung nehmen können, zu unterbreiten.

M.
Mit Eingabe vom 28. Juli 2003 stellte die Centerpulse verschiedene Anträge zum Verfahrensablauf. Gleichentags reichte auch Smith & Nephew der Übernahmekommission diverse Begehren zum Verfahrensablauf ein. Mit verfahrensleitender Anordnung des Präsidenten des Ausschusses der Übernahmekommission vom 28. Juli 2003 wurden die Erstanbieterin, die konkurrierende Anbieterin, die Zielgesellschaften 1 und 2 sowie die Hauptaktionäre aufgefordert, innert einem Börsentag Stellung zu den Eingaben von Centerpulse und Smith & Nephew zu nehmen. Centerpulse wurde innert der nämlichen Frist aufgefordert, die von ihr vorgebrachten Nachteile, die ein lange dauerndes Übernahmeverfahren für sie habe, gegenüber der Übernahmekommission substantiierter darzulegen.

N.
Am 30. Juli 2003 reichte Centerpulse per Fax eine als „Spezifizierung der Eingabe vom 28. Juli 2003" bezeichnete Rechtsschrift ein. Centerpulse ersuchte die Übernahmekommission darum, die Eingabe vertraulich entgegenzunehmen und den übrigen Verfahrensbeteiligten oder Dritten nicht zur Kenntnis zu bringen, da sie Geschäftsgeheimnisse enthalte. Dasselbe Ersuchen wurde auch hinsichtlich eines Schreibens vom 29. Juli 2003 von Dr. Max Link (CEO und Präsident des Verwaltungsrats von Centerpulse) an den Präsidenten der Übernahmekommission deponiert.

O.
Am 3. August 2003 ersuchte Zimmer die Übernahmekommission, es sei ihr Einsicht in die Akten - inklusive in die Eingabe von Centerpulse vom 30. Juli 2003 - zu gewähren.

P.
Mit Verfahrensleitender Anordnung vom 4. August 2003 wies der Präsident des Ausschusses das Gesuch von Zimmer ab. Am 5. August 2003 erhob Zimmer Einsprache dagegen und verlangte einen Entscheid des Ausschusses zur Frage über das Akteneinsichtsrecht.

Q.
Ebenfalls am 5. August 2003 erliess die Übernahmekommission eine Empfehlung zum Verfahrensablauf.

R.
Am 6. August 2003 teilte Smith & Nephew der Öffentlichkeit mit, dass sie ihr Angebot an die Aktionäre von Centerpulse und InCentive nicht erhöhen werde. Ebenfalls am 6. August 2003 wurde Centerpulse aufgefordert, zur Einsprache von Zimmer vom 5. August 2003 Stellung zu nehmen und diejenigen Unterlagen bzw. Passagen der Eingabe vom 28. Juli 2003 zu bezeichnen, an denen ein Geheimhaltungsinteresse geltend gemacht werde. Das Geheimhaltungsinteresse sei zu begründen.

S.
Mit Empfehlung vom 11. August 2003 wies die Übernahmekommission eine Einsprache von Centerpulse gegen die Aufforderung der Kommission vom 6. August 2003 ab, das Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich ihrer Eingabe vom 30. Juli 2003 im Einzelnen zu begründen.

T.
Am 12. August 2003 teilte die Eidgenössische Bankenkommission („EBK") den Parteien mit, dass sie die Angelegenheit im Falle einer Ablehnung der Empfehlung vom 11. August 2003 mit den vor der EBK hängigen Verfahren zusammenzulegen beabsichtige. Sie forderte deshalb die Parteien auf, bis Mittwoch, den 13. August 2003, zur Empfehlung der Übernahmekommission vom 11. August 2003 Stellung zu nehmen.

U.
Ebenfalls am 12. August 2003 bezeichnete Centerpulse gegenüber der Übernahmekommission diejenigen Passagen ihrer Eingabe vom 30. Juli 2003, an denen ein Geheimhaltungsinteresse geltend gemacht wird. Mit Stellungnahme vom 13. August 2003 forderte Zimmer, dass die zur Diskussion stehende geheime Eingabe der Zielgesellschaft 1 gänzlich offengelegt werde.

V.
Heute hat die Übernahmekommission unter dem Vorsitz von Herrn Hans Caspar von der Crone sowie den Mitgliedern Thierry de Marignac und Herrn Alfred Spörri die folgende Empfehlung zum Akteneinsichtsrecht sowie zu den Berichten der Verwaltungsräte der Zielgesellschaften erlassen.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:


1. Zuständigkeit der Übernahmekommission

Die Empfehlung vom 11. August 2003 wurde sowohl den Parteien als auch der EBK zugestellt (Art. 35 Abs. 2 BEHV-EBK). Wie in lit. T des Sachverhalts erwähnt, forderte die EBK die Parteien mit Schreiben vom 12. August 2003 auf, bis am 13. August 2003 Stellung zur Empfehlung zu nehmen. Dieser Aufforderung kamen Centerpulse, Smith & Nephew und Zimmer nach.

Mit ihrem Schreiben vom 12. August 2003 hat die EBK nicht etwa von ihrem Attraktionsrecht gemäss Art. 35 Abs. 3 lit. a BEHV-EBK und Art. 35 Abs. 4 BEHV-EBK Gebrauch gemacht; vielmehr wollte sie nur eine mögliche Verfahrensverzögerung verhindern für den Fall, dass eine Partei die Empfehlung der Übernahmekommission vom 11. August 2003 ablehnen sollte. Nachdem die Empfehlung vom 11. August 2003 bis zu der sich durch die EBK gesetzten Frist vom 13. August 2003 von keiner Partei abgelehnt worden ist und Centerpulse diejenigen Passagen ihrer Eingabe vom 30. Juli 2003 bezeichnet hat, an denen ein Geheimhaltungsinteresse geltend gemacht wird, hat die Übernahmekommission über die Frage der Akteneinsicht zu entscheiden.

2. Verfahren vor der Übernahmekommission

2.1 Wie bereits in der Empfehlung vom 11. August 2003 festgehalten, richtet sich das Verfahren vor der Übernahmekommission nach den Art. 52 ff. UEV-UEK. Art. 55 Abs. 5 UEV-UEK hält zwar fest, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht zur Anwendung kommt. Der verfassungs­mässige Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), der u.a. auch das Akteneinsichtsrecht umfasst (vgl. Häfelin/Haller, Schweiz. Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich 1998, N 1595), ist jedoch in Art. 55 Abs 1 UEV-UEK ausdrücklich statuiert. Das Einsichtsrecht steht den an einem Verfahren beteiligten Parteien grundsätzlich kraft ihrer Parteistellung zu, d.h. sie brauchen kein besonderes Interesse an der Akteneinsicht nachzuweisen (BGE 113 Ia 4).

2.2 Das Verfahren vor der Übernahmekommission hat für die beteiligten Parteien so transparent wie möglich zu sein. Eingaben einer Partei im Verfahren vor der Übernahmekommission sind grundsätzlich allen andern Parteien zuzustellen (Art. 59 Abs. 3 UEV-UEK). Von diesem Grundsatz, der den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (und damit auch das Recht einer Partei, Einblick in die Akten zu haben) konkretisiert, ist nur im Ausnahmefall abzuweichen. Die vertrauliche Entgegennahme von Dokumenten einer Partei durch die Kommission im Sinne von Art. 59 Abs. 3 UEV-UEK kann nicht einfach davon abhängen, ob die betreffende Partei Vertraulichkeit verlangt. Vielmehr ist in einem solchen Fall zu prüfen, ob dem Akteneinsichtsrecht einer Partei berechtigte Geheimhaltungsinteressen derjenigen Partei entgegen stehen, die sich gegen dieses Einsichtsrecht eines andern Verfahrensbeteiligten wehrt.

2.3 Centerpulse hat in ihrer Stellungnahme vom 12. August 2003 diejenigen Passagen in der Eingabe vom 30. Juli 2003 sowie im Schreiben von Dr. Link vom 29. Juli 2003 an den Präsidenten der Übernahmekommission (Beilage zur Eingabe vom 30. Juli 2003) markiert, die gegenüber den andern Parteien nicht offen zu legen seien. Das Geheimhaltungsinteresse an diesen Passagen begründet die Zielgesellschaft 1 damit, dass die markierten Passagen die Geheimsphäre von Centerpulse betreffen würden. Die entsprechenden Informationen würden sich auf die von Centerpulse bearbeiteten Märkte, die Mitarbeitersituation, die Produkteentwicklung und die Finanzresultate beziehen. Konkurrenten - und als solche seien Smith & Nephew und Zimmer zur Zeit immer noch zu betrachten (und einer der beiden werde es auch bleiben) - könnte diese Informationen zu ihrem Vorteil und zum Nachteil von Centerpulse verwenden.

Weiter bringt Centerpulse vor, dass Zimmer in ihren Eingaben an die EBK darauf hingewiesen habe, dass die konkurrierende Anbieterin unter Umständen nicht davor zurückschrecken werde, selbst dafür zu sorgen, dass das konkurrierende Angebot auf InCentive scheitere, indem der Verwaltungsrat von Zimmer seinen Aktionären davon abrate, die erforderliche Kapitalerhöhung durchzuführen. Damit würde der Eintritt einer Bedingung des InCentive Angebots verhindert und dieses folglich nicht zustande kommen. Aufgrund der Bedingung 1 des Centerpulse Angebots von Zimmer (Die Bedingung lautet: Die Aktionäre von Zimmer haben die Ausgabe der für die Zimmer Angebote erforderlichen Zimmer Stammaktien beschlossen) werde in einem solchen Fall auch das Centerpulse Angebot nicht zustande kommen.

Schliesslich führt Centerpulse aus, dass die Eingabe vom 30. Juli 2003 im Hinblick auf einen damals noch erwarteten längeren Steigerungsprozess der Anbieter gemacht worden sei. Aufgrund der Ankündigung von Smith & Nephew vom 6. August 2003, ihr Angebot nicht zu erhöhen, sei diese Frage aber irrelevant geworden.

2.4 Die zur Diskussion stehende Eingabe von Centerpulse vom 30. Juli 2003 (inkl. Beilage: Schreiben von Dr. Max Link vom 29. Juli 2003) weist auf die negativen Auswirkungen eines langandauernden Übernahmekampfes um Centerpulse auf die Zielgesellschaft hin. Im Einzelnen zeigt Centerpulse anhand von Beispielen auf, welcher Art (und teilweise auch welchen Ausmasses) die negativen Folgen des bisherigen Verfahrens sind. Im Wesentlichen geht es dabei um den Verlust von Marktanteilen in wichtigen Märkten bzw. um langsameres Wachstum als die Konkurrenz, die Lähmung der Mitarbeiterschaft, die gehemmte Personalentwicklung (u.a. das Abwerben von guten Mitarbeitern durch die Konkurrenz) sowie um die aufgrund der Unsicherheit bezüglich des künftigen Eigentümers von Centerpulse „auf Eis" gelegte Produkteentwicklung.

2.5 Entgegen der Ansicht von Centerpulse kann die Übernahmekommission an den in der Eingabe vom 30. Juli 2003 sowie dem Schreiben von Dr. Link vom 29. Juli 2003 gekennzeichneten Passagen keine schützenswerte Geheimhaltungsinteressen erkennen. Die zur Diskussion stehenden Passagen beschreiben ausschliesslich gewisse negativen Auswirkungen des Übernahmeverfahrens auf den allgemeinen Geschäftsgang der Zielgesellschaft, wie sie zu erwarten waren. Die negativen Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen (Märkte, Mitarbeitersituation, Produkteentwicklung etc.) gehen in keiner Weise über das hinaus, womit nicht ohnehin in einer Übernahmesituation zu rechnen ist, in der sich Centerpulse befindet. So ist es bsp. in Bezug auf die Mitarbeiter­situation naheliegend, dass Konkurrenten die Unsicherheit hinsichtlich des künftigen Eigentümers von Centerpulse zur Abwerbung von Mitarbeiter auszunutzen versuchen. Dass die Konkurrenz dabei in erster Linie an guten Mitarbeitern (erfolgreiche Verkäufer) Interesse zeigt und im Einzelfall auch erfolgreich operiert, liegt auf der Hand. Ebenso ist es nicht aussergewöhnlich, dass diese Probleme Zusatzkosten verursachen, bspw. durch Incentive Programme, die notwendig sind, um wertvolle Mitarbeiter halten zu können.

Weder die Stellungnahme von Centerpulse vom 30. Juli 2003 noch der Brief von Dr. Link beschreiben Entwicklungen bei Centerpulse, die unter den vorliegenden Umständen als aussergewöhnlich zu bezeichnen wären. Vielmehr werden darin letztlich Selbstverständlichkeiten beschrieben, die auch aus Sicht der beiden Anbieter ohne weiteres im Bereich des in der vorliegenden Übernahmesituation zu Erwartenden liegen. Inwieweit Informationen zu diesen Selbstverständlichkeiten aus den streitbetroffenen Dokumenten bei Kenntnisnahme durch die Anbieter zum Schaden von Centerpulse verwendet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Centerpulse liefert hierzu in Ihrer Stellungnahme vom 12. August 2003 auch keine weitere Begründung, sondern führt einfach an, ihre Geheimhaltungsinteressen seien tangiert. Zu beachten ist auch, dass die Beschreibungen der Probleme der Zielgesellschaft - trotz gewisser Konkretisierungen - letztlich sehr allgemein gehalten sind und somit der Informationsgehalt der betreffenden Passagen zu relativieren ist.

Folglich ist festzustellen, dass keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen von Centerpulse hinsichtlich der mit Stellungnahme vom 12. August 2003 bezeichneten Passagen der Eingabe vom 30. Juli 2003 (inkl. Beilage) bestehen und demzufolge den andern Parteien das Akteneinsichtsrecht auch hinsichtlich dieser Passagen zu gewähren ist.

2.6 Falls Centerpulse tatsächlich über für die Aktionäre wichtige nicht öffentliche Informationen verfügt, ist der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft ohnehin verpflichtet, solche Informationen anlässlich des noch ausstehenden Berichts nach art. 29 abs. 1 BEHG offenzulegen (vgl. dazu unten Ziff. 3).

2.7 Der Vollständigkeit halber sei kurz auf die übrigen von Centerpulse vorgebrachten Argumente gegen die Gewährung des Akteneinsichtsrechts eingegangen.

2.7.1 Centerpulse macht u.a. geltend, ihre Eingabe vom 30. Juli 2003 sei nur unter der Voraussetzung eingereicht worden, dass sie im Sinne von Art. 59 Abs. 3 UEV-UEK vertraulich behandelt werde. Die vertrauliche Behandlung von Informationen habe man der Zielgesellschaft 1 im Übrigen auch anlässlich der Sitzung vom 25. August 2003 mit dem Präsidenten der Kommission zugesichert.

Wie oben aufgeführt, kann die Offenlegung einer durch eine Partei eingereichten Eingabe nicht einfach davon abhängen, ob die Partei die Geheimhaltung ihrer Dokumente verlangt. Centerpulse behauptet, es sei ihr anlässlich der Sitzung vom 25. Juli 2003 die vertrauliche Behandlung von Unterlagen zugesichert worden. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Vielmehr wies der Präsident die Vertreter der Zielgesellschaft zu Beginn der Sitzung bspw. auf den Ausnahmecharakter der Sitzung sowie auf die Tatsache hin, dass die Sitzung nicht geheim gehalten werden könne. Zu beachten ist auch, das aufgrund des bisherigen, schon mehrere Monate dauernden Verfahrens, in dem die Parteien stets sämtlichen Eingaben an die Kommission auch ausnahmslos sogleich den andern Verfahrensbeteiligten zustellten, Centerpulse nicht einfach mit der vertraulichen Behandlung ihrer Eingabe rechnen durfte.

2.7.2 Die Befürchtungen von Centerpulse, dass Zimmer allenfalls selbst für das Scheitern des InCentive Angebots sorgen werde und damit auch das Centerpulse Angebot nicht zustande kommen lasse, sind unbegründet. Die Anbieter sind, wie dies der Präsident mit Schreiben vom 13. August 2003 klar festgehalten hat, gesetzlich verpflichtet, alle Massnahmen für die Erfüllung derjenigen Bedingungen zu ergreifen, auf deren Eintritt sie Einfluss nehmen können. Das treuwidrige Verhindern des Bedingungseintritts durch einen Anbieter hätte gerade den Bedingungseintritt zur Konsequenz (Art. 156 OR).

3. Berichte der Verwaltungsräte der Zielgesellschaften

Mit Empfehlungen vom 15. Juli 2003 hielt die Kommission fest, dass die Verwaltungsräte der Zielgesellschaften einen ergänzenden Bericht (InCentive) bzw. einen Bericht zu veröffentlichen haben, der alle Informationen enthält, die notwendig sind, damit die Empfänger des Angebots ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können (Centerpulse).

3.1 Heute hat InCentive seinen ergänzenden Verwaltungsratsbericht veröffentlicht. Der Verwaltungsrat empfiehlt seinen Aktionären, das Zimmer Angebot anzunehmen, da dies aus finanzieller Sicht attraktiver als dasjenige von Smith & Nephew sei. Die Empfehlung steht allerdings unter der Voraussetzung, dass Zimmer noch die erforderlichen Zimmer Stammaktien schafft.

InCentive stützt seine Meinung auch auf eine Fairness Opinion vom 14. August 2003 zum Zimmer Angebot, mit der KPMG Fides Peat beauftragt worden ist. Der Bericht des Verwaltungsrats von InCentive enthält diese Fairness Opinion nicht, obwohl sie Bestandteil des Verwaltungsratsbericht ist (vgl. dazu bspw. Empfehlung in Sachen Disetronic Holding AG vom 19. März 2003, E. 7.2.2). InCentive hat deshalb seinen Aktionären die vollständige Fairness Opinion kostenlos zur Verfügung zu stellen.

3.2 Gemäss heute veröffentlichter Pressemitteilung wird der Verwaltungsrat von Centerpulse seinen Bericht zum Angebot unmittelbar nach der Durchführung der Zimmer Aktionärsversammlung durchführen, die gemäss der konkurrierenden Anbieterin am 21. August 2003 durchgeführt werden soll. In Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen an diesen Bericht sei auf die Empfehlung der Übernahmekommission vom 15. Juli 2003 verwiesen, die sich zum Verwaltungsratsbericht von Centerpulse vom 9. Juli 2003 äusserte.

4. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG nach der Zustellung an die Parteien am 15. August 2003 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Die Parteien haben das Recht, vollumfänglich in die Eingabe von Centerpulse vom 30. Juli 2003 an die Übernahmekommission sowie in das Schreiben von Dr. Max Link vom 29. Juli 2003 an den Präsidenten der Übernahmekommission Einsicht zu nehmen.
  2. InCentive hat seinen Aktionären die Fairness Opinion der KPMG Fides Peat vom 14. August 2003 zum Zimmer Angebot zur Verfügung zu stellen.
  3. Diese Empfehlung wird am 15. August 2003 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.



Der Präsident des Ausschusses:

Hans Caspar von der Crone

 

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

 

Mitteilung an:

  • Centerpulse AG;
  • Smith & Nephew Group plc.;
  • InCentive Capital AG;
  • Zimmer Holdings, Inc. (allen vier Parteien je durch ihren Vertreter);
  • Zürich Versicherungs-Gesellschaft;III Institutional Investors International Corp.;
  • Herr René Braginsky;
  • „Familie Hans Kaiser" (allen vier Hauptaktionären von InCentive Capital AG je durch ihren Vertreter);
  • die EBK